Die Delfine
Im tiefen Blau des Ozeans gleitet eine Gruppe Delfine durch das Wasser. Heute sind sie ungewöhnlich lebhaft, denn etwas Besonderes steht bevor. Sie planen ein Fest aus Klängen und Bewegungen.
Mit einem kräftigen Sprung durchbricht die neugierige Delfindame Namia die Wasseroberfläche und ruft ihren Freunden zu: "Kommt, beeilt euch!" Die anderen Delfine folgen ihrem Ruf und schwimmen schnell hinter ihr her.
Während sie durch das Wasser schießen, denkt Namia darüber nach, wie sie die schönsten Klicks und Pfeiftöne erzeugen kann. Sie liebt es, neue Melodien zu erfinden und ihre Freunde damit zu überraschen. Delfine sind für ihre Klugheit bekannt und Namia weiß, dass sie mit ein wenig Kreativität etwas ganz Neues erschaffen kann. "Vielleicht gelingt mir heute etwas Besonderes", überlegt sie und spürt, wie sich die Vorfreude in ihr ausbreitet.
In der Nähe der Korallenriffe beginnen die Delfine ihre Stimmen zu erheben. Sie senden Klicks und Pfeiftöne aus, die durch das Wasser hallen. Jeder Delfin hat seinen eigenen Stil und gemeinsam erschaffen sie eine harmonische Melodie. Finno, der jüngste Delfin der Gruppe, stößt fröhliche Töne aus. In seine hellen und lebhaften Pfeiftöne stimmen die anderen schnell ein, angesteckt von Finnos Freude.
Plötzlich taucht eine Kugel aus bunten Fischen auf, die neugierig dem Spektakel folgt. Doch direkt über den Fischen zeichnet sich ein Schatten ab, da ist ein Boot auf der Wasseroberfläche. Die Delfine beobachten es neugierig. Sie wissen aus Erfahrung, dass Boote meist Menschen mit sich bringen.
Finno, immer voller Ideen, schlägt vor: "Lasst uns einen kleinen Streich spielen!" Gemeinsam schwimmen sie unter dem Boot hindurch, tauchen auf der anderen Seite auf und spritzen Wasser in die Luft. Die Menschen an Bord lachen und klatschen und die Delfine fühlen sich wie die Stars einer großen Show. Finno springt einmal ganz hoch aus dem Wasser und macht dabei alle Zuschauer auf dem Boot nass. Finno traut sich einfach die frechsten Stunts zu.
Während das Boot weiterfährt, schwimmt Namia hinunter zum Meeresboden. Dort entdeckt sie einen kleinen, abgerundeten Meeres-Schwamm und legt ihn vorsichtig auf ihre Schnauze. So kann sie nach Futter im Sand suchen, ohne sich zu verletzen. Die anderen Delfine beobachten sie aufmerksam. Sie alle lernen schon als Kinder durch Nachahmung diesen Trick, der seit Generationen an Artgenossen weitergeben wird. Leider wird Namia heute nicht fündig und auch die anderen Delfine werden langsam hungrig.
Wie gerufen erscheint kurz darauf ein großer Schwarm Sardinenfische im Korallenriff. Das ist ein gefundenes Fressen für Delfine und eine tolle Gelegenheit für eine gemeinsame Aufgabe. Sie schauen sich kurz an - und alle wissen ohne Worte, was zu tun ist. Mit schnellen Bewegungen umkreisen sie den Schwarm, ziehen den Kreis dann enger und enger zusammen und treiben die Fische so an die Wasseroberfläche. Finno bläst spielerisch kleine Luftblasen, die wie ein Netz wirken und die Sardinen in der Mitte halten. "Jetzt!", ruft Namia und alle stoßen gleichzeitig in die Mitte. Jeder Delfin schnappt sich ein paar Fische - ein leckeres Mittagessen für sie alle.
"Das war echtes Teamwork", sagt Finno stolz und die Gruppe stimmt ihm freudig zu. Als wieder Ruhe einkehrt, schwimmen die Delfine dicht zusammen. Sie musizieren und stoßen wieder Klicks und Pfeiftöne aus, die sich zu einer klaren Melodie verweben und weit durch den Ozean zu hören sind. Andere Tiere im Meer halten inne, hören zu und lassen sich von den Tönen leiten.
Dann hebt Namia den Kopf, sie atmet tief durch und beginnt, eine ganz neue Tonfolge zu spielen. Es ist eine Abfolge aus Klicks, Pfeifen und leisen Knackgeräuschen, die noch niemand je gehört hat. Sie wechselt die Rhythmen, spielt mit Pausen und die Melodie klingt wie ein Gespräch, das sich in Musik verwandelt. Die anderen Delfine verstummen und hören gespannt zu. Erst nach einigen Momenten steigen sie ein und fügen ihre Stimmen hinzu. So entsteht ein Klang, der sich von allen bisherigen Liedern unterscheidet - Namias Erfindung. Für einen Augenblick scheint das ganze Meer still zu sein, um zu lauschen.
Am Ende des Tages haben die Delfine zusammen gespielt, Menschen veräppelt, gejagt und neue Melodien erfunden, die alle miteinander verbanden. Namia lächelt Finno zu und sagt: "Heute haben wir so einiges erlebt. Das wird uns lang in Erinnerung bleiben."
Dann taucht sie plötzlich unter Finno hindurch, schießt wie ein Pfeil an ihm vorbei und spritzt ihm einen kleinen Wasserstrahl direkt ins Gesicht. Finno lacht überrascht und versucht, Namia zu fangen. Doch sie zwinkert ihm zu und verschwindet geschickt zwischen den Korallen.