📅Montag, 8. Dezember 2025
7 Minuten

Die Gedanken eines Lesezeichens

Zwischen den Seiten eines Buches, eingeklemmt zwischen Abenteuern und Geschichten, liegt ein Lesezeichen. Es ist nicht irgendein Lesezeichen, sondern das Lieblingslesezeichen von Emma. Es ist aus buntem Papier, mit einem kleinen, fröhlichen Gesicht darauf. Es kennt die Bücher von Emma besser als jeder andere, denn es reist mit ihr durch die unzähligen Welten der Bücher und ihrer Geschichten.

Heute findet es sich in einem Buch über einen tapferen Ritter wieder. "Oh, wie aufregend!", denkt das Lesezeichen, als es sieht, wie der Ritter auf einem weißen Pferd durch die Wälder reitet. Die Bäume rauschen im Wind und die Sonne wirft tanzende Schatten auf den Boden. Das Lesezeichen kann fast das Hufgetrappel hören und die Abenteuerlust spüren. Es fühlt sich, als stünde es selbst an der Seite des Ritters, bereit, gegen Drachen zu kämpfen und Schätze zu finden.

Doch bevor das Abenteuer seinen Höhepunkt erreicht, schließt Emma das Buch und legt das Lesezeichen an die Stelle, wo der Ritter kurz davor ist, eine geheimnisvolle Höhle zu betreten.

"Was wohl in dieser Höhle verborgen ist?", fragt sich das Lesezeichen neugierig. Es freut sich schon darauf, bald mit Emma weiterzulesen und das Geheimnis zu lüften.

So liegt das Lesezeichen still auf der Seite und schaut lang auf die geheimnisvolle Höhle, die der Ritter bald betreten soll. Stunde um Stunde vergeht. "Was könnte sich nur darin verbergen?", überlegt es. Es hat schon viele Geschichten begleitet, aber eine so spannende wie diese hat es schon lange nicht mehr erlebt. Der Ritter ist mutig, das ist klar, aber die Dunkelheit der Höhle... sie könnte voller Geheimnisse, Gefahren oder sogar magischer Wesen sein.

Das Lesezeichen fühlt eine prickelnde Neugier in sich aufsteigen. "Vielleicht könnte ich einen Blick ins nächste Kapitel werfen", denkt das Lesezeichen. "Ein kleiner Spickel-Blick - nur ein schneller, heimlicher Blick, um zu sehen, was der Ritter entdecken wird. Nur ein kleines Geheimnis, das ich für Emma bewahren kann, bis sie es selbst herausfindet."

Die Versuchung ist groß. Das Lesezeichen kann sich schon genau vorstellen, wie der Ritter in der Höhle steht, vielleicht einem Drachen gegenüber oder einem rätselhaften alten Zauberer, der ihm ein wertvolles Geheimnis anvertraut. Der Gedanke an das Unbekannte ist fast zu verlockend.

Es schüttelt sich ein wenig. "Aber was, wenn ich es dann weiß und es Emma verraten muss? Nein, sie muss das selbst erleben", denkt das Lesezeichen. "Es wäre nicht dasselbe, wenn ich ihr den Spaß verderbe. Ich muss warten. Wie immer."

Doch dann huscht ein Gedanke durch das kleine Lesezeichen, der es wieder aus der Ruhe bringt. "Was, wenn Emma das Buch heute nicht weiterliest? Was, wenn sie das Abenteuer gar nicht mehr fortsetzt und den Ritter vor der Höhle einfach vergessen lässt?"

"Oh nein", denkt das Lesezeichen beunruhigt. "Er könnte für immer dort stehen bleiben! Still, unbewegt, festgehalten zwischen zwei Seiten, kurz vor dem größten Abenteuer seines Lebens."

Das Lesezeichen seufzt. Es hat schon viele Helden erlebt, die in der Zeit eingefroren waren, bis Emma zurückkehrte - Prinzessinnen mitten im Tanz, Zauberer beim Wirken eines Spruchs, Piraten kurz vor dem Hissen der Segel. Aber dieser Ritter... der war anders. Es mochte ihn irgendwie.

"Vielleicht... vielleicht könnte ich doch ganz kurz nachsehen", flüstert es, fast schüchtern. Es wirft einen verstohlenen Blick auf die scharf geschnittene Kante der nächsten Seite. "Nur einen winzigen Blick, damit ich weiß, dass es ihm gut geht. Damit ich ruhiger warten kann."

Es zögert. Seine bunten Papierkanten zittern leicht, als ein Luftzug durchs Zimmer streicht. Es spürt, wie nah das Abenteuer ist - nur eine Seite weiter, so nah, dass es fast den feuchten Atem der Höhle zu riechen glaubt.

Doch dann erinnert es sich an Emma. Wie sie jedes Mal lacht, wenn sie eine spannende Stelle erreicht. Wie ihre Augen leuchten, wenn ein Geheimnis gelüftet wird. "Wenn ich jetzt spickle", denkt das Lesezeichen traurig, "dann nehme ich Emma dieses Leuchten weg. Es ist beschlossen, ich darf nicht umblättern." Also bleibt es liegen. Aber ruhig ist es nicht.

"Vielleicht sollte ich Emma irgendwie an das Weiterlesen erinnern", überlegt es schließlich. "Nur ein kleiner Hinweis. Kein Verrat, nur ein Flüstern."

In der Nacht, als der Mond durchs Fenster in Emmas Zimmer scheint, fasst das Lesezeichen einen kühnen Plan. Ganz vorsichtig rutscht es ein kleines Stück hervor. Nur so weit, dass sein fröhliches Gesicht ein Stück über dem Buchrand hervorlugt. Gerade genug, damit Emma es am Morgen bemerkt.

"Das sollte reichen", denkt es zufrieden. "Ein stiller Ruf aus der Geschichte heraus."

Dann wartet es. Geduldig, aber mit einem Hauch von Hoffnung, dass Emma es bald entdeckt - und den Ritter endlich in die Höhle begleitet.

Am nächsten Morgen fällt das erste Licht durchs Fenster und tanzt über Emmas Schreibtisch. Das Buch liegt da, ruhig wie ein schlafender Drache. Doch etwas ist anders: Das Lesezeichen blitzt neugierig hervor, sein buntes Gesicht strahlt im Sonnenlicht.

Emma, noch verschlafen, schiebt ihr Schulheft zur Seite. Ihr Blick fällt auf das Buch. "Hmm...", murmelt sie. "Das wollte ich ja noch fertig lesen."

Das Lesezeichen hält den Atem an - wenn es denn atmen könnte. In seinem Inneren pocht eine leise Hoffnung ganz laut.

Emma streckt die Hand aus und öffnet vorsichtig die Seite... und da ist er wieder: der Ritter, der Tapfere, kurz davor, die geheimnisvolle Höhle zu betreten.

"Oh ja!", ruft Emma leise. "Hier war ich gestern stehen geblieben!"

Das Lesezeichen jubelt stumm. Es ist, als würde die ganze Seite aufatmen. Der Ritter richtet sich auf, der Wind weht wieder durch den Wald, das Pferd hebt den Kopf. Alles erwacht zu neuem Leben, weil Emma weiterliest.

Sie fährt mit dem Finger über die Zeilen, sie liest von der Dunkelheit, in die der Ritter tritt. Vom schwachen Licht, das aus der Tiefe flackert.

Das Lesezeichen schmiegt sich zufrieden an den Rand der Seite. "So ist es richtig", denkt es. "Jetzt erleben wir die spannende Geschichte - wir beide zusammen."

In der Höhle findet der Ritter keinen Drachen, sondern ein altes, warm leuchtendes Herz aus Stein, das von einer sanften Magie durchzogen ist. Es erinnert ihn daran, dass wahrer Mut nicht im Kampf liegt, sondern im Licht, das man in der Dunkelheit findet.

Als Emma das Buch am Ende sanft zuklappt, bleibt ein glückliches Lächeln auf ihrem Gesicht. Der Ritter hat sein Abenteuer bestanden. Das Lesezeichen spürt, wie jetzt eine stille Zufriedenheit zwischen den Seiten wohnt. Es weiß, dass es seinen Platz gefunden hat - dort, wo Geschichten lebendig werden. Und so ruht es wieder friedlich und geduldig zwischen den Seiten vieler neuer Abenteuer.

Gute N8i

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Die Gedanken eines Lesezeichens

Das Schlaflied zur Geschichte 💫


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Zusammenfassung & Lektion 📌

Beim Kuscheln auf dem Sofa entfaltet diese Geschichte ihre Magie und nimmt dich mit auf ein fantasievolles Abenteuer voller Neugier und Entdeckungen. Begleite Emmas Lieblingslesezeichen, ein fröhliches Stück bunten Papiers, das zwischen den Seiten eines Buches lebt und die aufregendsten Geschichten miterlebt. Heute reist es mit einem tapferen Ritter, der kurz davor steht, eine geheimnisvolle Höhle zu betreten. Die Spannung steigt, als das Lesezeichen sich fragt, welche Geheimnisse in der Dunkelheit lauern könnten. Diese Gute-Nacht-Geschichte entfaltet eine Welt voller Abenteuerlust und zeigt, wie wichtig Geduld und Vorfreude sind. Kinder lernen, dass wahre Freundschaft und Mut nicht nur in großen Taten, sondern auch in kleinen Gesten und Momenten des Wartens liegen. Die Geschichte inspiriert junge Leser dazu, ihre Fantasie zu entfalten und die Magie der Bücher zu entdecken. Sie bietet eine wunderbare Gelegenheit, gemeinsam mit den Kleinen in die Welt der Bücher einzutauchen und die Freude am Lesen zu teilen. Ein perfektes Abenteuer für Kinder, das die Neugier weckt und die Vorstellungskraft beflügelt.